Deutsch-schwedisches Projekt XStereoVision untersucht Wachstum und Aufbau von Nanopartikeln in 3D3D-Blick in den Nanokosmos
28. Juli 2020, von MIN-Dekanat

Foto: XStereoVision
Ein deutsch-schwedisches Forschungsprojekt entwickelt ein neues Röntgenbildgebungsverfahren für 3D-Bilder von Nanopartikeln in flüssigen Umgebungen. Das Verbundprojekt mit dem Namen XStereoVision, an dem drei Forschergruppen der Universität Hamburg, der Königlich-Technischen Hochschule (KTH) Stockholm und von DESY beteiligt sind, wird im Rahmen des schwedisch-deutschen Röntgen-Ångström-Clusters gefördert.
Bei Nanomaterialien sind die Entwicklung der Form und morphologische Umwandlungen oft entscheidend für die gewünschte Funktion und Leistungsfähigkeit. In vielen Fällen sind jedoch der Ursprung und die Dynamik dieser morphologischen Veränderungen nicht gut verstanden. Das beruht im Wesentlichen auf der Schwierigkeit, diese Prozesse live und an Ort und Stelle unter relevanten Bedingungen zu beobachten. Elektronenmikroskope (EM) sind derzeit die wichtigsten Werkzeuge für die In-situ-Visualisierung von Nanomaterialien und bieten wertvolle Einblicke. Allerdings lässt sich mit ihnen wegen des kleinen Sichtfelds nur eine begrenzte Anzahl von Nanopartikeln abbilden. „Darüber hinaus schränkt die nötige Vakuum-Probenumgebung bei Elektronenmikroskopen die Wahl der Syntheserouten für Nanopartikel stark ein“, erläutert Dorota Koziej, Leiterin des Labors für Hybride Nanostrukturen am Zentrum für Hybride Nanostrukturen (CHyN) der Universität Hamburg.
Eine Alternative ist die Röntgenmikroskopie an Synchrotronstrahlungsquellen wie DESYs PETRA III: Die harte Röntgenstrahlung besitzt sowohl die notwendige kurze Wellenlänge als auch die erforderliche Eindringtiefe für hochauflösende 3D-Bildgebung von ausgedehnten Proben. Für die sogenannte Röntgentomographie muss die Probe jedoch im Röntgenstrahl gedreht werden, um Ansichten von verschiedenen Seiten für das 3D-Bild zu bekommen. Das ist bei der Abbildung von Flüssigkeiten in der Regel nicht möglich. Das neue Projekt zielt darauf ab, diese Einschränkung durch die Entwicklung einer neuen stereoskopischen Röntgentechnik mit verbesserter Tiefenauflösung zu überwinden. Indem die Probe mit zwei nanofokussierten Röntgenstrahlen gleichzeitig unter verschiedenen Winkeln beleuchtet wird, lassen sich 3D-Strukturinformationen aus 2D-Scans erhalten.
Dieser Meilenstein lässt sich nur mit einem ultrastabilen Röntgenmikroskop erreichen, dessen Entwicklung die Hauptaufgabe der DESY-Gruppe um Christian Schroer sein wird. „Unsere Gruppe hat in den vergangenen Jahren den Versuchsaufbau PtyNAMi für quantitative mikroskopische Untersuchungen von Proben mit einer räumlichen Auflösung von bis zu zehn Nanometern konzipiert und erfolgreich in Betrieb genommen“, berichtet Schroer. Das Instrument steht externen Nutzern an der Nano-Messstation P06 von DESYs Röntgenquelle PETRA III zur Verfügung und bietet verschiedene Nano-Abbildungstechniken.
Im PtyNAMi-Mikroskop wird die hochbrillante Röntgenstrahlung von PETRA III auf einen nanogroßen Fleck fokussiert, über den die Probe gescannt wird. Dabei ist es auch möglich, beispielsweise die Dichteverteilung oder die chemische Zusammensetzung der Probe sichtbar zu machen. „Im Rahmen des Projekts XStereoVision werden wir unsere Erfahrungen nutzen, um die Möglichkeiten des PtyNAMi-Aufbaus auf die stereoskopische Röntgenmikroskopie für In-situ-Anwendungen zu erweitern“, betont DESY-Forscher Andreas Schropp. Dank der herausragenden mechanischen Stabilität, einer sorgfältigen Kontrolle der Messbedingungen und effizienter Datenerfassung soll dabei eine räumliche Auflösung von wenigen Nanometern erreicht werden, die für die Untersuchung dynamischer chemischer Vorgänge auf der Nanoskala nötig ist.
Im neuen stereoskopischen Röntgenmikroskop wird die Röntgenstrahlung in zwei Strahlenbündel fokussiert, die sich in der Probe schneiden und sie aus zwei verschiedenen Perspektiven beleuchten. Das erfordert aber besondere Röntgenlinsen, sogenannte Fresnel-Zonenplatten, die speziell für diese Anwendung entworfen und herstellt werden müssen. Das wird die Hauptaufgabe der Gruppe um Ulrich Vogt von der KTH Stockholm, die auf dem Gebiet der diffraktiven Röntgenoptik zu den führenden Laboren der Welt gehört.
Schließlich wird das geplante Stereo-Röntgenmikroskop durch eine neue Probenumgebung ergänzt, die chemische Reaktionen von Flüssigkeiten unter verschiedenen Temperaturbedingungen ermöglicht. „In einer solchen, am CHyN entwickelten Flüssigkeitszelle hoffen wir, die Entstehung und strukturelle Veränderungen von Nanokristallen in Lösung mit einer räumlichen Auflösung von besser als zehn Nanometern röntgenoptisch abbilden zu können“, sagt Koziej. Die Gruppen von DESY und der Universität Hamburg werden außerdem gemeinsam neue Datenverarbeitungsalgorithmen entwickeln, um das stereoskopische Probenbild aus den Doppel-Beugungsbildern zu rekonstruieren.
Die Forscher planen, ihr neues Bildgebungsverfahren sowohl an der Messstation P06 an DESYs PETRA III als auch an der NanoMAX-Experimentierstation am MAX-IV-Synchrotron im schwedischen Lund experimentell zu testen. „Mit Blick auf die Zukunft glauben wir, dass diese neue 3D Bildgebungsmethode eine optimale Nutzung der drastisch helleren Röntgenstrahlen an den derzeit neu entstehenden beugungsbegrenzten Synchrotronquellen der 4. Generation ermöglichen wird, wie zum Beispiel dem bei DESY geplanten Speicherring PETRA IV“, betont Schropp. „Wir hoffen auch, die Technik einem breiteren Nutzerkreis aus akademischer und Industrieforschung zur Verfügung stellen zu können.“
„Mit diesem neuen stereoskopischen Röntgenmikroskop werden wir in der Lage sein, die zeitliche Entwicklung der morphologischen, elementaren und chemischen Zusammensetzung von Nanomaterialien in 3D zu verfolgen, die etwa für Energieforschung, Nanoelektronik und Solarzellentechnologie relevant sind“, fasst Koziej zusammen.
Das Verbundprojekt XStereoVision wird vom Bundesforschungsministerium (BMBF) im Rahmen der Röntgen-Ångström-Clusters gefördert (Projektnummer 05K20GUA). Das auf vier Jahre angelegte Projekt hat Anfang Juli 2020 begonnen.
Text: DESY, red.
Röntgen-Ångström-Cluster
Webseite: https://www.rontgen-angstrom.eu