Elektronenstreuung verstehen mit ultralangreichweitigen Rydberg Molekülen
14. Oktober 2019, von FB Physik

Foto: UHH/MIN/Schmelcher
Im Vergleich zu üblichen Molekülen sind die ultralangreichweitigen, wie der Name schon verrät, wahre Giganten mit bis zu tausendfach vergrößerten atomaren Abständen. Sie bestehen aus sehr ungleichen Bauteilen: einem hochangeregten Rydbergatom mit einem schwach gebundenen Elektron und mindestens einem Atom im Grundzustand, das sich in dessen Umlaufbahn befindet. Die Bindung entsteht durch die Streuung des Rydbergelektrons an den neutralen Atomen. Aufgrund der Größe und der ausgedehnten Elektronenbahn, sind die Moleküle besonders sensitiv auf äußere Felder und eignen sich darüber hinaus um grundlegende Eigenschaften von atomaren Wechselwirkungen zu untersuchen.
Die Existenz von ultralangreichweitigen Rydberg Molekülen wurde im Jahr 2000 theoretisch vorher gesagt. 10 Jahre später konnten sie erstmals im Experiment nachgewiesen werden. Auf Basis der theoretischen Arbeit von Wissenschaftlern am Zentrum für optische Quantentechnologien der Universität Hamburg (Arbeitsgruppe Schmelcher) ist es an der Universität Stuttgart nun gelungen (Arbeitsgruppe Pfau) die Spektren ultralangreichweitiger Moleküle aus Rubidium so genau zu vermessen, dass Rückschlüsse auf die Struktur von negativen Ionen möglich sind. Durch ein entsprechendes Tuning bildet das System aus Rydbergelektron und neutralem Atom kurzzeitig ein negatives Ion. Der Vorteil ist, dass dieses ultrakalt bleibt, was auf anderen Wegen sehr schwer zu erreichen ist. Diese neuartige Methode zur Erforschung von kalten Ionen bietet noch vielversprechende Möglichkeiten für die Zukunft.
Dieselben Hamburger Wissenschaftler haben ebenfalls die theoretischen Untersuchungen zu einem Experiment in Oklahoma erfolgreich durchgeführt. Hier konnten mittels der im Labor gemessenen Spektren basierend auf ultrakalten atomaren Caesium-Wolken dreiatomige ultralangreichweitige Rydberg Moleküle nachwiesen werden, bei denen ein zusätzliches Atom im Grundzustand durch das Rydbergelektron gebunden wird. Diese Moleküle können in verschiedenen Geometrien auftreten, nämlich linear, entlang einer Schnur, mit dem Rydberg Atom in der Mitte oder orthogonal, wie in einem rechtwinkligen Dreieck. Je nach Energie ändert sich diese Geometrie. Das besondere hierbei ist, dass die beiden beteiligten Grundzustandsatome zu keinem Zeitpunkt in direktem Kontakt zueinander stehen. Das Rydbergelektron vermittelt aber einen Austausch zwischen den beiden, wodurch es in dem System zu effektiven Dreikörperwechselwirkungen kommt. Ultralangreichweitige Rydberg Moleküle bieten spannende Perspektiven für die Forschung im Bereich der fundamentalen atomaren Wechselwirkungen.

Original Publikationen
Precision Spectroscopy of Negative-Ion Resonances in Ultralong-Range Rydberg Molecules,
F. Engel, T. Dieterle, F. Hummel, C. Fey, P. Schmelcher, R. Löw, T. Pfau, and F. Meinert,
Physical Review Letters 123, 073003 (2019).
Effective Three-Body Interactions in Cs(6s)-Cs(nd) Rydberg Trimers,
C. Fey, J. Yang, S.h T. Rittenhouse, F. Munkes, M. Baluktsian, P. Schmelcher, H. R. Sadeghpour, and J. P. Shaffer,
Physical Review Letters 122, 103001 (2019).