Entdeckung einer neuen Art von antiferromagnetischen Domänenwänden
11. Juni 2021, von Heiko Fuchs

Foto: UHH/MIN/Kubetzka
Ein Team von Physikerinnen und Physikern der Universität Hamburg hat eine neue Art von magnetischen Domänenwänden in einer einzelnen Atomschicht aus Mangan entdeckt und berichtet hierüber im Magazin Nature Communications. Domänenwände sind Grenzen zwischen verschiedenen homogenen Regionen eines magnetisch geordneten Materials. Die in dieser neuen Studie beobachteten Domänenwände treten in einem antiferromagnetischen (AFM) Material auf, d.h. benachbarte atomare magnetische Momente bevorzugen eine antiparallele Ausrichtung. Die Wände haben eine Breite von nur zwei Nanometern und zeigen eine charakteristische Spintextur mit ungewöhnlichen Eigenschaften, die sich in mehrfacher Hinsicht von denen der benachbarten reihenweisen AFM-Domänen unterscheiden. Überraschenderweise wurden diese Wandtypen theoretisch nicht vorhergesagt. Es wird erwartet, dass dieser neue AFM-Wandtyp auch in anderen Systemen gefunden werden kann, in denen die Symmetrie der AFM-Spinstextur niedriger ist als die des Kristallgitters.
Die AFM-Spintronik ist ein expandierendes neues Feld auf dem Gebiet der Festkörperphysik, das aus dem Wunsch heraus entstanden ist, die einzigartigen Eigenschaften von AFM-Materialien für technologische Anwendungen zu nutzen. Die wichtigsten AFM-Merkmale sind schnelle Dynamik, potenziell große Magneto-Transporteffekte und eine große Robustheit gegenüber störenden externen Magnetfeldern. AFM-Materialien sind jedoch aufgrund ihrer verschwindenden Netto-Magnetisierung nur schwer zu erforschen. Obwohl eine Reihe von experimentellen Techniken entwickelt wurden, um AFM-Domänen und Domänenwandpositionen abzubilden, bleibt speziell die Bestimmung von AFM-Wandbreiten und ihrer internen Spin-Konfiguration eine Herausforderung.

In der vorliegenden Studie wurden Domänenwände in einer einatomigen Mangan-Schicht auf einem Rhenium(0001)-Einkristallsubstrat untersucht, wobei spinpolarisierte Rastertunnelmikroskopie (STM), Atommanipulation und Spindynamiksimulationen kombiniert wurden. Der reihenweise geordnete AFM-Zustand erlaubt drei symmetrieäquivalente Rotationsdomänen innerhalb der hexagonalen Mangan-Schicht, von denen zwei in Abb. 1 zu sehen sind. Da die übliche kohärente Spinrotation zwischen Domänen in diesem Fall durch die Symmetrie verboten ist, zeigen die Domänenwände im Gegensatz zu den kollinearen reihenförmigen AFM-Domänen eine charakteristische Spintextur mit 90°-Winkeln. Dies ermöglicht die Abbildung von Domänenwänden mit nichtmagnetischen STM-Spitzen und sollte zu deutlichen Wechselwirkungen der Domänenwände mit lateralen Strömen führen, die für AFM-Spintronik-Anwendungen ausgenutzt werden könnten. Mathematisch lässt sich der Domänenwandzustand als Überlagerung der beiden benachbarten Domänen konstruieren. Überraschenderweise ist die Domänenwandbreite unabhängig von der Kristallanisotropie und wird stattdessen durch ein Gleichgewicht von Heisenberg- und Austauschwechselwirkungen höherer Ordnung bestimmt. Zudem wurde konzeptionell gezeigt, dass es möglich ist diese neue Art von Domänenwand durch die Manipulation einzelner adsorbierter Atome - sowohl magnetisch als auch nichtmagnetisch - zu bewegen, was neue Möglichkeiten eröffnet, AFM-Spinkonfigurationen zu manipulieren.
Original Publikation
Jonas Spethmann, Martin Grünebohm, Roland Wiesendanger, Kirsten von Bergmann, and André Kubetzka, Discovery and characterization of a new type of domain wall in a row-wise antiferromagnet, Nature Communications 12, 3488 (2021).