Geschichte der Hamburger Sternwarte
Frühe Vorläufer
1720er-1730er: Beyers Sammlung am Baumwall
Astronomische Studien in Hamburg sind seit Jahrhunderten historisch belegt. Durch das Fehlen einer Universität konnten die Forschungen allerdings nur in privatem Rahmen betrieben werden. Die erste Sternwarte in Hamburg befand sich bereits in den 20er und 30er Jahren des 18. Jh. am Baumwall. Der Zimmermann Johann Beyer hatte in seinem Hause eine ansehnliche Sammlung astronomischer Instrumente zusammengetragen. Die Himmelsbeobachtungen, die er und sein Freund, der Schuldirektor Hermann Wahn, dort machten, stießen in der Öffentlichkeit auf breites Interesse. Schließlich erkannte der Senat den Wert eines Observatoriums für den Hafenbetrieb und erwog den Kauf der Sternwarte für die Stadt - allerdings blieb es vorerst bei diesen Erwägungen.
Frühe Vorläufer
1796-1806: Gaborys Sternwarte in Neuenburg
Obwohl in der zweiten Hälfte des 18. Jh. astronomische Forschung in der Region Hamburg auf immer professionellerem Niveau betrieben wurde, hat es noch jahrelang keine weiteren ernsthaften Versuche für die Gründung einer dauerhaften Sternwarte gegeben.
Dies änderte sich im Jahr 1796, als der Optiker Edmund Gabory in Neuenburg, nahe der Nikolaikirche seine Werkstatt eröffnete. Seine Frau und er waren begeisterte Himmelsbeobachter und richteten hier ihr eigenes Observatorium mit einer beachtlichen Sammlung an Teleskopen und anderen wissenschaftlichen Instrumenten ein. Ein Jahrzehnt später setzte aber die französische Besatzung dem Werk Gaborys ein jähes Ende: Seine Instrumente wurden beschlagnahmt. Diejenigen, die britischen Ursprungs waren, wurden auf der Stelle vernichtet, die gößeren Teleskope wurden für das Erspähen feindlicher Truppen im Hamburger Umland zweckentfremdet. Gabory selbst fiel, wie viele andere, im strengen Winter 1814 der Belagerung zum Opfer.
Frühe Vorläufer
1802-1812: Repsolds Sternwarte am Stintfang
Der erste direkte Vorläufer der heutigen Hamburger Sternwarte wurde von dem Unternehmer und Spritzenmeister Johann Georg Repsold gegründet. 1789 hatte Repsold eine Werkstatt für Präzisionsgeräte eröffnet, die sich im Laufe der Jahrzehnte zur weltweit renommierten Gesellschaft A. Repsold & Söhne mauserte und bis 1919 existierte. Die Arbeit an geodätischen Instrumenten hatte Repsolds Interesse für Astronomie geweckt. 1802 erhielt er die Genehmigung für den Bau einer privaten Sternwarte auf der Bastion Albertus, einem Teil der Hamburger Festungsanlagen am Stintfang. Ein Jahr später stand das sechseckige Gebäude. Sein Dachaufbau mit Meridianspalt wies bereits eine gewisse Ähnlichkeit mit modernen Teleskopkuppeln auf. Hier brachte Repsold sein kleineres Passageinstrument unter, einen 3,5 Fuß großen Meridiankreis mit Präzisions-Pendeluhr. Innerhalb weniger Jahre hatte Repsold eine Sammlung von Teleskopen und Instrumenten zusammengetragen, die selbst angesehene staatliche Sternwarten jener Zeit in den Schatten stellte.
Frühe Vorläufer
1806-1814: Napoleonische Kriege
Als 1804 die Hamburger Stadtmauer als Beweis der Neutralität in den Koalitionskriegen abgerissen wurde, blieb Repsolds Sternwarte vorerst unversehrt. Sie überdauerte Gaborys Observatorium, allerdings nicht für lange: Im April 1811 erlitten Gebäude und Instrumente schweren Schaden durch Kanonenbeschuss. Im darauffolgenden Jahr untersagte die französische Verwaltung jegliche zivile Nutzung der wiederaufgebauten Festungsmauern. Die Instrumente wurden eingelagert, das Gebäude wurde abgetragen und endete als Feuerholz. Repsold wandte sich an den Senat, um die Gründung einer städtischen Sternwarte zu erwirken. Um seine Erfolgschancen zu erhöhen, hatte er mit der Hamburger Admiralität, der damaligen Hafenverwaltung, ein gegenseitiges Abkommen geschlossen. Diese plante damals den Ausbau ihrer Navigationsschule. Doch Krieg und anhaltende Verwüstung standen der Verwirklichung des Gemeinschaftsprojekts noch im Wege.
Frühe Vorläufer
1812-1820 Wiederaufbaupläne
Jahrelang konnte Repsold nur vereinzelt Kunden für seine hochwertigen Instrumente gewinnen, so dass er gezwungen war, seinen Lebensunterhalt mit dem Import einfacher nautischer Geräte aus England zu bestreiten. Aus Platzmangel verkaufte er seinen in Einzelteile zerlegten Meridiankreis schließlich an Carl Friedrich Gauß, damals Direktor der Sternwarte in Göttingen.
1820 hatte Repsold eine Anhängerschaft hinter seinem Projekt versammelt und stellte einen erneuten Antrag auf öffentliche Förderung einer Sternwarte, wobei er die Notwendigkeit einer solchen Institution für den Hamburger Hafen hervorhob. Gleichzeitig warb auch der Direktor der Navigationsschule Carl Ludwig Rümker um Mittel für den Ausbau seiner Schule. Um den Anträgen Nachdruck zu verleihen, wurde eine Fusion der beiden Institutionen angeregt. Doch der Senat zögerte eine Entscheidung noch immer hinaus.
Professionalisierung
1821-1871: Konkurrenz im nahen Altona
Mittlerweile hatte Dänemark ein neues Programm zur Landvermessung gestartet. Die neu erhobenen geodätischen Daten sollten mit anderen bereits bestehenden europäischen Datensätzen zusammengeführt werden. In diesem Zuge war in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hamburg im damals dänischen Altona eine wichtige Station entstanden. Das Projekt wurde von dem Kopenhagener Astronomie-Professor Heinrich Christian Schumacher geleitet. Zu seinen Zwecken hatte Schumacher 1821 ein Haus an der Palmaille in Altona erworben. Es war nur rund 2 km von Repsolds früherer Sternwarte entfernt, und von dem Grundstück aus boten sich zahlreiche Orientierungspunkte wie die Hamburger Michaeliskirche als Vermessungspunkte an. Im Garten hinter dem Haus wurde eine Sternwarte errichtet.
Professionalisierung
1821-1871: Veröffentlichung der Astronomische Nachrichten
Im selben Jahr begann Schumacher in Altona mit der Herausgabe der Astronomische Nachrichten. Dies war die erste wissenschaftliche Zeitschrift zum Thema Astronomie überhaupt und sie besteht bis heute als älteste astronomische Zeitschrift weltweit fort. Unter den Teleskopen der neuen Sternwarte befanden sich Instrumente aus der Werkstatt Repsolds, mit dem Schumacher durch seine regelmäßigen Besuche in Repsolds alter Sternwarte in Hamburg befreundet war.
Mit den Jahren behinderte die fortschreitende Industrialisierung mit ihren immer dichteren Rauchwolken in zunehmendem Maße Sternbeobachtungen in Altona. 1871 wurde die Altonaer Sternwarte geschlossen. Die wertvolleren Instrumente sowie die Bibliothek gingen in den Bestand der neuen Sternwarte in Kiel über, die Restbestände wurden verkauft.
Professionalisierung
1821-1825: Fortschritt in Hamburg
Ab 1821 konnten Repsolds Träume endlich wahr werden. Der Senat stimmte dem Bau einer neuen Sternwarte zu - unter der Auflage, dass Repsold selbst hierfür seine Instrumente unentgeltlich zur Verfügung stellen sollte. Dass der Senat dem Drängen Repsolds schließlich nachgab, mag durch die Konkurrenz zum benachbarten Altona begünstigt worden sein, das kürzlich seine eigene Sternwarte eröffnet hatte. Nach dem Abzug der französischen Belagerung hatte Hamburg beschlossen, die Festungsmauer ganz abzureißen und an ihrer Stelle ein öffentlich zugängliches Erholungsgebiet anzulegen. An der neu entstandenen Promenade auf der ehemaligen Henricus-Bastion nahe dem kürzlich wiederaufgebauten Millerntor begann man mit dem Bau der neuen Sternwarte. Das Gebäude bestand aus zwei Flügeln mit jeweils einer hölzernen Teleskopkuppel auf dem Dach. Verbunden wurden die beiden Gebäudeflügel durch eine Halle für einen neuen Meridiankreis und Repsolds altes Passageinstrument.
Professionalisierung
1825-1833: Sternwarte und Nautische Schule am Millerntor
1825 waren die Bauarbeiten fast abgeschlossen, und eine Reihe wertvoller Instrumente wurde angeschafft. Wie vereinbart, wurde im selben Gebäude die Navigationsschule untergebracht, die für die ab 1827 obligatorische Steuermannsprüfung zuständig war.
1833 wurde die Sternwarte offizielles Staatsinstitut. Repsold hat das nicht mehr erleben können. Er war einige Jahre zuvor bei einem Löscheinsatz während eines Großbrandes ums Leben gekommen.
Professionalisierung
1825-1914: Bedeutung für den Hafen
Neben seiner wissenschaftlichen Bestimmung erfüllte die Hamburger Sternwarte einen sehr praktischen Zweck: Mithilfe der astrometrischen Messungen mit dem Meridiankreis wurde die Zeit bestimmt, was von evidenter Bedeutung für die Schifffahrt war. Gegen Ende des 19. Jh. beherbergte die Sternwarte ein Uhrensystem, mit dem zahlreiche über die Stadt verstreute Präzisionsuhren gesteuert wurden. Später setzte es auch die Zeit für den Zeitball auf dem Dach des Warenhauses Kaiserspeicher A mitten im Hamburger Hafen sowie für die telefonische Zeitansage. Leider erschwerten Luft- und Lichtverschmutzung sowie Erschütterungen durch Industrie und Hafen mit den Jahren in zunehmendem Maße die Beobachtungen am Millerntor. Die Hamburger Sternwarte musste sich einem ähnlichen Schicksal stellen wie 30 Jahre zuvor das Altonaer Observatorium und umziehen. 1914 wich das Gebäude dem neuen und bis heute existierenden Museum für Hamburgische Geschichte.
Sternwarte am Millerntor
1831-1857: Direktor Charles Rümker
Die Napoleonischen Kriege hatten Karl Rümker 1809 veranlasst, Deutschland zu verlassen und bei der East India Company anzuheuern. Durch seine Begeisterung für Mathematik und Navigation gelang ihm binnen weniger Jahre der Aufstieg zum Navigationslehrer in der Royal Navy. Seine Arbeit brachte ihn in Kontakt mit Astronomen und seine entsprechenden Publikationen erregten das Interesse der Royal Astronomic Society.
Nach Kriegsende, kehrte Rümker nach Hamburg zurück, um an der Navigationsschule zu lehren. Er errichtete ein kleine, private Sternwarte nahe der Schule und vertiefte seine Freundschaften mit Repsold und Schumacher. Erfolglos versuchten sie den Senat vom Bau einer neuen Sternwarte und der Erweiterung der Navigationsschule zu überzeugen. Ende 1821 nahm Rümker die Stellung als Hauptbeobachter der im Bau befindlichen Parramatta-Sternwarte an und verließ Hamburg erneut. 1828, wählte der Hamburger Senat Rümker zum neuen Direktor seiner Navigationsschule. Der mit seiner Stellung in Australien recht zufriedene Rümker erfuhr jedoch erst Monate später davon und ließ auch dann die Benachrichtigung unbeantwortet. 1829 reiste er nach London, um neue Instrumente für Parramatta zu beschaffen. Währenddessen eskalierte ein jahrealter Streit um Forschungsergebnisse mit ehemaligen australischen Kollegen, welcher Mitte 1830 in Rümkers Entlassung aus englischen Diensten endete.
1831 trat er die Leitung der Hamburger Sternwarte und der Navigationsschule an. Mit großem Eifer stürzte sich Rümker sowohl in Forschung als auch Lehre. Unter seiner Leitung wurde trotz beschränkter Mittel binnen weniger Jahre ein aufsehenserregend präziser und detailreicher Katalog von etwa 60000 Sternen erstellt, neben zusätzlichen Mond und Planetenbeobachtungen und stark wachsenden Schülerzahlen.
Die Sternwarte in Bergedorf
1906-1912: Größer und besser
Von 1906 bis 1912 wurde auf dem Gojenberg im östlich von Hamburg gelegenen Bergedorf eine neue Sternwarte errichtet. Damals befand sich Bergedorf in weiter Entfernung zu Hamburg und den zunehmenden Beeinträchtungen für die Beobachtungsbedingungen am bisherigen Standort. Die neuen Entwürfe waren zu damaliger Zeit ambitioniert und fortschrittlich.
Das eigentliche Novum war die Verteilung der Instrumente auf separate, über ein größeres Gelände verstreute Gebäude. Damit die Sternwarte ihre Funktion als Zeitgeberin ausüben konnte, wurde ein neues, größeres Meridiankreisgebäude errichtet. Das Äquatorial-Linsenteleskop wurde vom Millerntor nach Bergedorf verbracht. In seiner Bedeutung wurde es allerdings bald von dem deutlich leistungsfähigeren "Großen Refraktor" aus der Produktion Repsold & Söhne abgelöst.
Sternwarte am Millerntor
1857-1900: Direktor George Rümker
Charles Rümkers Sohn George veröffentlichte 1847, im alter von 15 Jahren, seine erste wissenschaftliche Publikation über Sternschnuppen. Nach dem Studium der theoretisch Astrophysik in Berlin erhielt er 1853 eine Anstellung als Observator in Durham. Vier Jahre übernahm er de facto die Leitung der Hamburger Sternwarte von seinem Vater, wurde jedoch erst 1866 offiziell zum Direktor ernannt. Die kontinuierliche wachsende Navigationsschule war kurz nach Charles' Tod von der Sternwarte getrennt und verlegt worden, während sich die Ausstattung der Sternwarte seit Erbauung kaum verändert hatte und so mit wachsenden Forschungsansprüchen immer schlechter schritthalten konnte. Erst 1867 konnte, erneut mit Hilfe großzügiger Spenden Hamburger Kaufleute, in Form des Äquatorial Refraktors, ein neues, modernes Instument in Betrieb genommen werden.
1860 leitete George Rümker die erste von vielen Hamburger Sonnenfinsternisexpedition in Spanien, mit dem Ziel eine Erklärung für die beobachteten Protuberanzen zu finden. Sein weiteres Interesse galt nach wie vor Kometen, Kleinplaneten und der traditionellen Vermessung von Sternpositionen während sich der internationale Forschungsschwerpunkt immer weiter zur Untersuchung von sogenannten Nebelflecken verlagerte. In der Astronomischen Gesellschaft (AG) spielten Hamburg und Altona eine schwindende Rolle.
Die Sternwarte in Bergedorf
1906-1912: Gehobene Vielfalt
Der große Refraktor und sein Kuppelgebäude mit großer Hebebühne verschlangen einen Löwenanteil des gesamten Baubudgets der neuen Sternwarte. Ergänzt wurde es durch ein Spiegelteleskop von 1 m Durchmesser auf massiver, auch für heutige Verhältnisse noch überraschend leichtgängiger Montierung von Carl Zeiss. Diese beiden großen Teleskope markieren in der Astronomiegeschichte einen Punkt, an dem die Meinungen über die Konstruktion künftiger Teleskope auseinandergingen. Die Eröffnung der neuen Sternwarte fiel in eine Zeit, in der die Nachteile großer Spiegelteleskope kontinuierlich überwunden wurden und Linsenteleskope an Bedeutung verloren. Wäre die Sternwarte einige Jahre früher umgezogen, hätte sie vielleicht kein Spiegelteleskop erhalten, wäre der Neubau einige Jahre später erfolgt, würde sie vielleicht nur noch über wenige Linsenteleskope verfügen. Heute verwundert es wenig, dass das 1m-Spiegelteleskop für die Wissenschaft das weitaus interessantere der beiden Instrumente war. Abgerundet wurde der Instrumentenbestand der neuen Sternwarte durch einen Doppelastrographen, ein sehr lichtempfindliches Doppel-Teleskop für Astrometrie und Fotografie.
Die Sternwarte in Bergedorf
1905-heute:Expeditionen und Forschung
In der Zeit des Umzugs der Sternwarte vom Millerntor nach Bergedorf und in den ersten Jahren des Bestehens der neuen Sternwarte bildete die astronomische Forschung drei Hauptschwerpunkte: Sonnenfinsternisse, Sternpopulationen und die Weiterentwicklung der Beobachtungsinstrumente. Zwischen 1905 und und 1929 organisierte die Sternwarte mehrere Expeditionen zur Erforschung von Sonnenfinsternissen, u. a. nach Algerien, Mexiko, Schweden und auf die Philippinen. Die stationären Teleskope in Hamburg spielten eine wesentliche Rolle bei der Erstellung großer Sternkataloge wie z. B. des AGK2, in dem in Zusammenarbeit mit den Sternwarten Bonn und Pulkowo (St. Petersburg) über 200.000 Sterne katalogisiert wurden und der bis in die 1980er Jahre als Standardwerk der Astrometrie galt. Während seiner Arbeit an der Hamburger Sternwarte schaffte Walter Baade die Grundlagen für seine Forschungsarbeiten zum Thema Sternpopulationen.
Die Sternwarte in Bergedorf
1930s: Instrumentation und Innovation
1930, entwickelte der freischaffende Optiker Bernhard Schmidt and der Sternwarte eine Korrektorplatte für Spiegelteleskope mit sphärischem Hauptspiegel in Folge der lehrreichen Diskussionen mit Walter Baade. Diese Platte gleicht sphärische Abweichungen aus, die in großen Gesichtsfeldern die Optiken außerhalb der optischen Achse verzerren. Schmidt verzichtete auf eine Patentierung seiner Erfindung, die sich schnell auf der ganzen Welt verbreitete. Ob in seiner Ursprungsform oder modifiziert - die Schmidt-Korrektorplatte fand bald nicht nur in astronomischen Instrumenten, sondern auch in Filmprojektoren und Reflexkameras Verwendung.
Sternwarte in Bergedorf
1900-1912: Ambitionierter Neuanfang
Mit dem Tod George Rümkers im Jahr 1900 wurde Observator Richard Schorr neuer Direktor und musste das Umzugsvorhaben weiter vorantreiben. Schorr überzeugte den Senat bald zum Ankauf eines geeigneten Grundstücks in Bergedorf, aber das weitere Vorgehen blieb noch über Jahre ein Streitpunkt. 1903 brachte der Kaufmann und Amateurastronom Eduard Lippert Bewegung in den Prozess durch seine Bereitschaft, der Sternwarte einen großen Doppelastrographen zu finanzieren. Die Sonnenfinsternis von 1905 rückte die Astrophysik ins öffentliche Interesse, was vermutlich einen bedeutenden Beitrag zur kurz darauf erfolgenden Bewilligung des Sternwartenbaus in Bergedorf leistete.
Der innovative Neubau wurde zwischen 1906 und 1912 vollführt. Das eigentliche Novum war die Verteilung der Instrumente auf separate, über ein größeres Gelände verstreute Gebäude. Damit die Sternwarte ihre Funktion als Zeitgeberin ausüben konnte, wurde ein neues, größeres Meridiankreisgebäude errichtet. Das Äquatorial-Linsenteleskop wurde vom Millerntor nach Bergedorf verbracht. In seiner Bedeutung wurde es allerdings bald von dem deutlich leistungsfähigeren "Großen Refraktor" aus der Produktion Repsold & Söhne abgelöst.
Die brüchige Sternwarte am Millerntor wich 1914 dem neuen und bis heute existierenden Museum für Hamburgische Geschichte.
Die Sternwarte in Bergedorf
1939-1945: 2. Weltkrieg
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Hamburger Sternwarte als strategisch wertvoll eingestuft und dem Kommando der Marine unterstellt. Die Arbeit wurde auf Beobachtungen der Sonnenaktivität beschränkt, da diese Radiowellen und damit den Funkverkehr beeinflusst sowie auf Positionsberechnungen für die Kriegsschiffahrt. Trotz der militärischen Vereinnahmung gelang es der Sternwarte bei der Ernennung ihres neuen Direktors 1941, den Einfluss des NS-Dozentenbundes abzuwenden. Im Vorfeld seiner Ernennung konnte der neue Direktor Otto Heckmann von seiner Eignung überzeugen, ohne seine eigenen Ideale zu verraten oder sich ideologisierten Zwecken zu unterwerfen.
Die Sternwarte in Bergedorf
1954-1970: Neue Instrumente und Forschung
1954 wurde für den Hamburger Schmidt-Spiegel - ein modernes Spiegelteleskop mit Optik-Ausstattung aus der Werkstatt Bernhard Schmidts - ein neues Teleskopgebäude errichtet. Neben dem Schmidt-Spiegel wurde hier auch eine Spiegelbedampfungsanlage für die Aluminiumbeschichtung von Teleskopspiegeln untergebracht. Zwischen 1955 und 1970 wurde die Hamburger Sternwarte zur zentralen Sammelstelle für Daten, die an elf Observatorien in Europa und Nordamerika erhoben wurden und in den Sternkatalog AGK3 eingingen.
Die Sternwarte in Bergedorf
1962-1968: Gründung der ESO
Seitdem Walter Baade 1953 die Erstellung dieses neuen Katalogs angeregt hatte, wurde Direktor Heckmann zu einer treibenden Kraft bei der Gründung der ESO, die ihm die Türen zur Erschließung der noch wenig erforschten südlichen Hemisphäre eröffnen sollte. 1962 wurde er erster Direktor der ESO und eröffnete deren ersten Hauptsitz nahe der Sternwarte in Bergedorf. Später wurde dieser dann nach Genf verlegt. 1968 trat Heckmann in den Ruhestand. Im selben Jahr wurde die Hamburger Sternwarte Teil des Fachbereichs Physik der Universität Hamburg.
Die moderne Sternwarte
1968-heute: Betritt zur Universität
Der Instrumentenbestand der Hamburger Sternwarte wurde 1971 um den neuen Zonenastrographen ergänzt. Fünf Jahre später wurde der Schmidtspiegel an die Sternwarte im spanischen Calar Alto verlegt. Ersetzt wurde er in Bergedorf durch das Oskar-Lühnung-Teleskop.
1996 wurde die gesamte Anlage der Hamburger Sternwarte unter Denkmalschutz gestellt. Seit 2008 ist sie außerdem auf der Liste Nationaler Kulturdenkmäler gelistet. Gleichzeitig wird hier weiterhin moderne Spitzenforschung betrieben.