Low Energy Neutrino Astronomy
Inhalt
- Einleitung
- Niederenergie-Neutrinos
- Physik bei GeV-Energien
- Detektoraufbau
- Untergrundlabor
- LAGUNA und LAGUNA-LBNO
- Veröffentlichungen
Einleitung
LENA (Low Energy Neutrino Astronomy) ist ein zukünftiges Observatorium zum Nachweis astrophysikalischer Neutrinos. Basierend auf einer Targetmasse von 50 Kilotonnen Flüssigszintillator, soll LENA das Neutrinosignal bekannter Quellen wie etwa unserer Sonne hochaufgelöst untersuchen. Die hervorragende Untergrundsunterdrückung kann auch genutzt werden, um schwache Neutrinoflüsse wie den vorhergesagten diffusen Supernova-Neutrinohintergrund zu entdecken.
Neben dem astrophysikalischen Programm hat LENA jedoch auch eine starke teilchenphysikalische Komponente: Die große Targetmasse verleiht Sensitivität für die Suche nach dem Protonzerfall, ein Prozess jenseits des Standardmodells, der aber von Vereinheitlichten Theorien vorhergesagt wird. Als ferner Detektor in einem Long-Baseline Neutrinostrahl-Experiment könnte mit LENA der letzte unbekannte Neutrinomischungswinkel θ13 wie auch das Auftreten einer CP-Verletzung bei den Leptonen entdeckt werden.
LENA befindet sich in der Designphase: Erste Studien zum Bau der Detektorkaverne und dem dazugehörigen Untergrundlabor in etwa 1400 m Tiefe wurden erfolgreich durchgeführt, Konzepte für die Komponenten des organischen Flüssigszintillators und den 100 m hohen und 30 m durchmessenden Detektortank entwickelt. Im Moment konzentrieren sich die Ak-tivitäten auf die für die Registrierung des Szintillationslichts benötigten Photosensoren, die zugehörige Frontend-Elektronik und Datenaufnahme für die etwa 50.000 Kanäle.
LENA entsteht unter erheblicher deutscher Beteiligung: Gruppen der TU München, der Universitäten Hamburg und Tübingen, sowie der RWTH Aachen sind beteiligt. Es besteht jedoch auch eine internationale Zusammenarbeit mit finnischen, italienischen, französischen und US-amerikanischen Partnern. Darüber hinaus ist LENA eines der drei Projekte der europäischen LAGUNA und LAGUNA-LBNO Designstudien, in der neben Szintillator auch Wasser und flüssiges Argon als Detektionsmedium diskutiert werden.
Niederenergie-Neutrinos
Die Stärke von Flüssigszintillationsdetektoren liegt im Nachweis niederenergetischer Neutrinos. Im Vergleich zu anderen Technologien bietet der Szintillator eine gute Energieauflösung und eine niedrige Energieschwelle im sub-MeV Bereich. Koinzidenzsignale und Pulsformanalyse erlauben eine effektive Diskrimination von Untergrundereignissen, und in den letzten Jahrzehnten wurden wirkungsvolle Techniken zur Reduktion von radioaktiven Verunreinigungen im Szintillator entwickelt. So spielte der japanische Szintillationsdetektor KamLAND eine wichtige Rolle bei der Entdeckung der Oszillationen von Reaktorneutrinos, während das Borexino-Experiment am Gran-Sasso Labor in Italien erstmals das solare Neutrinospektrum im sub-MeV Bereich vermessen konnte. Mit Double-Chooz, RENO und Daya Bay sind momentan drei Experimente für die Suche nach dem noch unbekannten Mischungswinkel θ13 am Start, die auf Szintillatoren als Targetmedien setzen.
Aufgrund des größeren Volumens und der besseren Abschirmung von komischer Strahlung bietet LENA ein ungleich breiteres Programm bei niedrigen Energien und erlaubt die Untersuchung einer Vielzahl von Neutrinoquellen. Der Nachweis erfolgt vor allem über die elastische Neutrino-Elektron-Streuung und über den inversen Betazerfall an Protonen im Szintillator. Die Streuung am Elektron, νe→eν , steht grundsätzlich Neutrinos aller Flavors offen. Der Wirkungsquerschnitt für Elektronneutrinos ist aber etwa fünfmal größer als für νμ,τ. Radioaktive Verunreinigungen im Szintillator, v. a. β- und γ-Strahler, stellen den dominanten Untergrund für diesen Kanal dar.
Anti-Elekronneutrinos werden über die Umwandlung von freien Protonen im Szintillator, νep→ne+, nachgewiesen: Das prompte Positron-Signal und das um etwa 200 μs verzögerte Signal, das beim Einfang des Neutrons an einem weiteren Proton entsteht, bieten eine klare Signatur, und erlauben eine weitgehend untergrundfreie Detektion. Beide Reaktionen bieten über die Energie des Rückstoßelektrons (bzw. Positrons) die Möglichkeit einer spektroskopischen Messung. Dafür lässt sich jedoch die Flugrichtung der einfallenden Neutrinos im Normalfall nicht bestimmen.
Supernova-Neutrinos
Eine Kernkollaps-Supernova innerhalb unserer Milchstraße verursacht einen Neutrinoausbruch, der in LENA mit hoher Auflösung vermessen werden könnte. Für eine Supernova im galaktischen Zentrum erwartet man etwa 15.000 Neutrinoereignissen, mehr als die Hälfte davon über den inversen Betazerfall am Wasserstoff, der nur Elektron-Antineutrinos offensteht. Darüber hinaus bieten geladene und neutrale Stromwechselwirkungen am Kohlenstoff und elastische Streuung an Elektronen und Protonen die Möglichkeit, den zeitlichen Verlauf des Neutrinosignals spektral und nach Neutrinoflavorn aufgelöst zu beobachten. Neben Informationen zur Physik des Kernkollaps lassen sich daraus unter Umständen auch Mischungsparameter und Massenhierarchie der Neutrinos bestimmen. Auch kollektive Oszillationen, hervorgerufen durch Neutrino-Neutrino-Wechselwirkungen, könnten sich im spektralen Verlauf zeigen [1,2].
Diffuser Supernova-Neutrino Hintergrund
Auf kosmischen Skalen erzeugt die Gesamtheit aller Supernovae einen steten Fluss von Neutrinos, den DSNB (von Diffuse SN Neutrino Background). Das schwache Signal der isotrop verteilten Neutrinos entzog sich bisher seiner Entdeckung, die heute besten Limits stammen vom Super-Kamiokande Experiment. Trotz ähnlicher Targetmasse scheint ein Nachweis des DSNB in LENA als sehr wahrscheinlich, da das Koinzidenzsignal des inversen Betazerfalls eine effektive Möglichkeit zur Untergrundreduktion bietet. Es werden zwischen 2 und 20 Ereignisse pro Jahr erwartet, abhängig vom an-genommenen SN Neutrinospektrum und der Supernovarate als Funktion der Rotverschiebung. LENA bietet daher die Möglichkeit, ein mittleres SN-Neutrinospektrum auch ohne eine galaktische SN-Explosion zu messen, wenn auch mit vergleichsweise geringer Statistik [3].
Solare Neutrinos
Die Beobachtung der durch Fusionsreaktionen im Inneren der Sonne erzeugten Neutrinos ist historisch eng mit der Entdeckung der Neutrinooszillationen verknüpft. Dank der niedrigen Energieschwelle steht zu erwarten, dass LENA wie Borexino die Spektren von solaren Be-7, pep und B-8 Neutrinos (benannt nach den erzeugenden Fusionsreaktionen) wird auflösen können. Die erwartete Statistik wird aber weit größer sein. Dies bietet die Möglichkeit, die Energie-Abhängigkeit der Oszillationswahrscheinlichkeiten genau zu untersuchen. Der noch nicht vermessene Übergang von vakuum-dominierten zu materie-dominierten Oszillationen im Bereich zwischen 1 und etwa 5 MeV bietet hier Raum für das Auftauchen neuer physikalischer Effekte.
Auf der anderen Seite bieten solare Neutrinos auch die Möglichkeit, die Elementzusammensetzung des Sonneninneren zu bestimmen, die heute kontrovers diskutiert werden. Schließlich bieten etwa 10.000 Be-7 Neutrinos pro Tag die Möglichkeit, nach zeitlichen Veränderungen des Flusses im Promillbereich zu suchen. Neben einer Reihe von Nichtstandard-Oszillationseffekten wird auch spekuliert, dass die bisher unbeobachteten g-Moden der helioseismischen Wellen solche minimalen Schwankungen in der Neutrinorate hervorrufen könnten [4].
Geoneutrinos
Nicht nur Sterne, sondern auch unser Planet ist eine starke Neutrinoquelle. Die natürliche Radioaktivität von Kalium, Uran und Thorium erzeugt in Betazerfällen ein nie-derenergetisches Spektrum von Elektronantineutrinos. Aufgrund des sehr niedrigen spektralen Endpunkts von 3.2 MeV bieten Flüssigszintillationsdetektoren bis heute als einzige die Möglichkeit zum Nachweis dieser Neutrinos. Während aber die Experimente KamLAND und Borexino nur eine handvoll dieser Ereignisse pro Jahr detektieren, bietet die weitaus größere Targetmasse von LENA die Chance, den Neutrinofluss prozentgenau zu vermessen und so geologische Modelle zur Elementzusammensetzung von Erdkruste und Mantel zu unterscheiden. Zusätzlich lässt sich auch das relative Verhältnis von Uran und Thorium spektral unterscheiden. Zentrales Thema ist der im Erdinneren produzierte Hitzefluss von etwa 40 TW, der zumindest zum Teil durch die in radioaktiven Zerfällen freigesetzte Energie erklärt werden kann [5,1].
Reaktorneutrinos
Ähnlich wie KamLAND bietet LENA im Prinzip die Möglichkeit, durch den Nachweis der von Kernreaktoren erzeugten Elektron-Antineutrinos Oszillationsparameter mit hoher Präzision zu vermessen. Abhängig vom Ort des Untergrundlabors und der weiteren Entwicklung der Kernkraft in Europa könnte LENA im Verlauf von mehreren Jahren das solare Massendifferenzquadrat Δm122 auf etwa 1% genau bestimmen, etwa einen Faktor 10 genauer als der heutige Wert [6].
Neutrinooszillometrie
Niederenergetische Neutrinos aus starken radioaktiven Quellen bieten in Kombination mit einem ausgedehnten Detektor wie LENA die Möglichkeit, die Überlebenswahrscheinlichkeit von Elektron-Neutrinos und Antineutrinos mit hoher Präzision zu untersuchen. Eine solche Messung mit monoenergetischen Neutrinos aus einer Chrom-51 Electron-Capture-Quelle oder einer Strontium-90 Antineutrinoquelle wird momentan auch im Rahmen von Borexino und SNO+ diskutiert: Ziel ist die Suche nach Oszillationen in sterile Neutrinos bei relativ kurzen Abständen (Baselines) von wenigen Metern. Hinweis auf deren Existenz ergeben sich vor allem durch ein Anfang 2011 nach neuen Modellrechnungen gefundenes Defizit in den Raten der Reaktorneutrinoexperimente der 80er und 90er Jahre [1,7].
Short-Baseline Neutrinostrahl
Beim Zerfall ruhender geladener Pionen entstehen sowohl Elektron- als auch Myon-(Anti-)Neutrinos mit Energien von einigen 10 MeV. Diese können für ein Oszillationsexperiment bei relativ kurzen Baselines von mehreren Kilometern benutzt werden. Das DAEδALUS-Projekt plant durch eine Messung bei mehreren unterschiedlichen Baselines eine genaue Messung von θ13 und der CP-verletzenden Phase δ in der PMNS-Neutrinomischungsmatrix. Als Pionenquellen sollen leistungsstarke Proton-Synchrotrons dienen. Der Nachweis von Neutrinooszillationen erfolgt primär über das Appearence-Signal von Elektron-Antineutrinos im Detektor, da diese im Zerfall positiver Pionen nicht entstehen und daher nur nach Oszillationen von Myon-Antineutrinos erscheinen. Während das ursprüngliche Konzept eine Erweiterung des amerikanischen LBNE-Projekts darstellt, ließe sich eine ähnliche Messung auch in LENA durchführen. Auf kürzeren Baselines lässt sich eine gestoppte Pionen-Quelle auch benutzen, um die Appearance-Signale von LSND und MiniBoone zu überprüfen [8,9].
Indirekte Suche nach Dunkler Materie
Während man im Normalfall annimmt, dass sich die Dunkle Materie aus relative schweren (10-100 GeV) Teilchen zusammensetzt, können diese WIMPs (von Weakly Interacting Massive Particles) in manchen Theorien auch erheblich leichter sein und darüber hinaus miteinander in Neutrino-Antineutrino-Paare annihilieren. Dies bietet für LENA die Möglichkeit für eine indirekte Suche nach Dunkler Materie durch den Nachweis monoenergetische Elektron-Antineutrinos bei Energien von einigen 10 MeV. Aufgrund der großen Targetmasse und der hervorragenden Untergrundreduktion ließen sich in LENA stringente Limits erreichen [10].
Physik bei GeV-Energien
Flüssigszintillator wurden bisher nur im Niederenergiebereich als Neutrinotarget verwendet und bieten dort praktisch keinerlei Richtungsauflösung. Neuere Monte-Carlo Simulationen und auch das Tracking von kosmischen Myonen in Borexino und KamLAND zeigen, dass die Richtung ausgedehnter Teilchenspuren bei höheren Energien durchaus rekonstruiert werden kann. Erste Studien zeigen, dass es im Prinzip sogar möglich ist, mehrere gleichzeitig in einer Neutrinowechselwirkung entstehende Teilchen zu identifizieren und die Gesamtenergie der Teilchen zu bestimmen. Dies eröffnet für LENA ein weiteres Fenster zur Detektion von Neutrinos mit Energien von einigen 100 MeV bis zu mehreren GeV [11,12].
Long-Baseline Neutrinostrahl-Experiment
An Beschleunigern produzierte Neutrinostrahlen weisen meist mittlere Energien von mehreren 100 MeV auf. Um Oszillationsphänomene beobachten zu können, ist daher ein Abstand von mehreren 100 km zwischen Beschleuniger und Detektor notwendig. Um die notwendige Statistik zu erzielen, werden daher große Targetvolumen benötigt. Eine denkbare Kombination ist ein europäischer Neutrinostrahl vom CERN zu LENA.
Die nächste Generation von Neutrinostrahl-Experimenten zielt auf die Bestimmung der noch unbekannten Parameter aus der PMNS-Matrix: θ13, der CP-verletzenden Phase δ und dem Vorzeichen der Massendifferenz Δm132. Während θ13 vielleicht schon bald von Reaktorexperimenten oder dem japanischen T2K-Experiment bestimmt werden wird, sind δ und Δm132 außerhalb der Reichweite heutiger Experimente. In Europa werden die unterschiedlichen Optionen für die Neutrinostrahlerzeugung, die Oszillationsbaseline und die Technologie des fernen Detektors im Rahmen der LAGUNA-LBNO Studie untersucht [1,13].
Atmosphärische Neutrinos
Auch die Detektion atmosphärischer Neutrinos im GeV-Bereich bietet die Möglichkeit, Oszillationsparameter genauer zu bestimmen. Da in diesem die Oszillationsbaseline durch den Abstand vom Entstehungsort der Neutrinos in der Atmosphäre zum Detektor definiert wird, ist Richtungsauflösung einer Grundvoraussetzung für eine solche Analyse. LENA bietet diese Möglichkeit, auch wenn phänomenologische Arbeiten zur erreichbaren Sensitivität bisher fehlen [1].
Protonzerfall
Anders als das Neutron sind freie Protonen im Standardmodell stabil. Ihr Zerfall wird jedoch von fast allen weiterführenden Theorien vorhergesagt. Große vereinheitlichte Theorien sagen zwei Zerfallsmoden voraus: Den Zerfall in Pion und Positron oder in Kaon und Antineutrino. Der zweite Zerfallskanal, der von Supersymmterischen Modellen bevorzugt wird, ist in großvolumigen Wasser-Cherenkov-Detektoren nur schwer zu entdecken, da das entstehende Kaon energetisch unterhalb der Cherenkov-Schwelle liegt. In LENA lässt sich diese Zerfallszeit jedoch durch die schnelle Koinzidenz von direktem Kaon-Signal und dem seiner Zerfallsteilchen mit hoher Effizienz identifizieren. So könnte nach 10 Jahren Messzeit das Limit für die Protonenlebensdauer auf 4x1034 Jahre erweitert werden, was den gegenwärtig von Super-Kamiokande bestimmten Wert um eine Größenordnung übertrifft. Damit testet LENA bereits einen relevanten Anteil des theoretisch vorhergesagten Bereichs für die Protonlebensdauer [14].
Detektoraufbau
Das Design von LENA sieht einen zwiebelschalenförmigen Aufbau des Detektors vor. Im Zentrum des Detektors befindet sich das zylindrische Targetvolumen von 96m Höhe und 26m Durchmesser. Das entspricht etwa 44 kt von Linearem Alkylbenzol, dem organischen Hauptbestandteil des Szintillators. Die szintillierende Flüssigkeit wird von einem dünnen Nylonzylinder von einer weiteren Schicht organischer Flüssigkeit getrennt. Dieser nicht-szintillierende Buffer schirmt das Targetvolumen von externer Radioaktivität ab, primär von Gammastrahlung. Buffer und Szintillator sind von einem Detektortank aus Stahl (oder Beton) umgeben, 100m hoch und 30m im Durchmesser.
Die zur Auslese des Szintillationslichts benötigten Photosensoren sind an einem Gerüst entlang dieser Wand befestigt: Das momentane Design sieht etwa 50.000 8-Zoll Photomultiplier vor, deren Lichtsammelfläche durch vor der Photokathode angebrachte konische Spiegel vergrößert wird. Dadurch wird eine effektive Abdeckung von 30% der Detektorwand für die Lichtdetektion erreicht.
Zur Abschirmung gegen kosmische Strahlung wird der Detektor in einer Untergrundkaverne bei mindestens 1.400 m Tiefe (4.000 Meter Wasseräquivalent) aufgebaut. Die Form der Kaverne ergibt sich durch die geologischen Eigenschaften des umgebenden Gesteins. Das Volumen zwischen dem freistehenden Tank und der Detektorwand ist mit Wasser gefüllt, um zusätzliche Abschirmung gegen schnelle Neutronen aus dem Fels zu bieten.
Um seitlich in den Detektor einfallende kosmische Myonen zu identifizieren, ist vorgesehen, auch die Außenwand des Tanks mit etwa 3.000 Photomultipliern zu bestücken. Durchgehende Myonen können dann aufgrund des von ihnen emittierten Cherenkov-Lichts erkannt werden.
Da in einem Untergrundlabor die meisten Myonen vertikal von oben einfallen, wird das obere Ende des Detektors (und des Wasservolumens) von einem externen Myonveto abgedeckt: Eine mögliche Lösung dafür sind mehrere Lagen gekreuzter Limited Streamer Tubes, die neben der bloßen Myonidentifikation auch die Rekonstruktion der Myonspuren im Detektor unterstützen [1].
Untergrundlabor
Als möglicher Ort für die Errichtung des für LENA benötigten Untergrundlabors werden derzeit zwei europäische Optionen diskutiert: Das Labor könnte entweder angrenzend an Europas tiefste Mine in Pyhäsalmi, Finnland, oder nahe dem Fréjus-Tunnel in den italienisch-französischen Alpen entstehen. Beide Optionen bieten ausreichende Abschirmung gegenüber kosmischer Strahlung, und die technische Machbarkeit wurde in der LAGUNA Design Studie (s. u.) bestätigt.
Während das Labor in Fréjus den besseren Schutz gegen kosmogenen Untergrund bietet, liegt Pyhäsalmi abseits der Kernkraftwerke in Zentraleuropa, deren Reaktorneutrinos den primären Untergrund für die Detektion von Geoneutrinos und dem DSNB darstellen [1].
LAGUNA und LAGUNA-LBNO
Heute wird in Europa nicht nur über Flüssigszintillator, sondern auch über Wasser und flüssiges Argon als Detektionsmedium für Niederenergieneutrinos, Beamneutrinos und Protonzerfall nachgedacht. Neben 50 Kilotonnen Szintillator (LENA) stehen auch 440 Kilotonnen Wasser (MEMPHYS) und 100 Kilotonnen Argon (GLACIER) zur Diskussion.
Die von 2008 bis 2011 laufende Designstudie LAGUNA (Large Apparatus for Grand Unification and Neutrino Astrophysics) untersuchte neben dem Physikpotential der drei vorgeschlagenen Detektoren sieben mögliche Standorte für das zugehörige Untergrundlabor. Auch wurde Bau und Kosten der Detektorkaverne und Teile des Tankdesigns untersucht. Am Ende dieser Studie steht die Erkenntnis, dass sich ein solches Projekt an jedem der vorgeschlagenen Orte im Prinzip realisieren ließe. Demnach entscheidet letztlich der Einfluss auf das Physikprogramm über den am Besten geeigneten Standort.
Als Kriterium stehen hier für LENA in erster Linie Abschirmung von kosmogenen Untergrund und Abstand zu Kernreaktoren, aber auch die Oszillationsbaseline zum CERN ist ein wichtiger Parameter für ein Neutrinostrahl-Experiment [15].
Ein solches Experiment steht auch im Zentrum der zweiten Phase der Designstudie, LAGUNA-LBNO (Long Baseline Neutrino Oscillations). Hier soll nun neben Detektortank und Instrumentierung vor allem auch das Physikpotential von Neutrinostrahlen und die Machbarkeit einen für die LAGUNA-Detektoren geeigneten Superbeams am CERN untersucht werden. Diese Studie wird im September 2011 beginnen und bis 2014 abgeschlossen sein.
Veröffentlichungen
[1] M. Wurm et al., „The next-generation liquid-scintillator neutrino observatory LENA“, (2011), arXiv:1104.5620
[2] B. Dasgupta, „Reconstruction of supernova mu/tau neutrino spectra at scintillator detectors“, (2011), arXiv:1103.2768
[3] M. Wurm et al., „Detection potential for the diffuse supernova neutrino background in the large liquid-scintillator detector LENA“, Phys. Rev. D75 (2007), 023007, astro-ph/0701305
[4] M. Wurm et al., „Search for modulations of the solar 7Be flux in the next-generation neutrino observatory LENA“, Phys. Rev. D 83 (2010), 032010, arXiv:1012.3021
[5] K. A. Hochmuth et al., „Probing the Earth's interior with a large-volume liquid scintil-lator detector“, Astropart. Phys. 27 (2007), 21-29, hep-ph/0509136
[6] S. T. Petcov, T. Schwetz, „Precision measurement of solar neutrino oscillation parameters by a long-baseline reactor neutrino experiment in Europe“, Phys Lett. B642 (2006), 487-494, hep-ph/0607155
[7] G. Mention et al., „The Reactor Antineutrino Anomaly“, (2011), arXiv:1101.2755
[8| J. Alonso et al., „Expression of Interest for a Novel Search for CP Violation in the Neu-trino Sector: DAEdALUS“, (2010), arXiv:1006.0260
[9] S. K. Agarwalla, J. M. Conrad, M. H. Shaevitz, „Short–baseline Neutrino Oscillation Waves in Ultra–large Liquid Scintillator Detectors“, (2011), arXiv:1105.4984
[10] S. Palomares-Ruiz, S. Pascoli, „Testing MeV dark matter with neutrino detectors“, Phys. Rev. D77 (2008), 025025, arXiv:0710.5420
[12] J. G. Learned, „High Energy Neutrino Physics with Liquid Scintillation Detectors“, (2009), arXiv:0902.4009
[12] J. Peltoniemi, „Liquid scintillator as tracking detector for high-energy events“, (2009), arXiv:0909.4974
[13] J. Peltoniemi, „Simulations of neutrino oscillations for a wide band beam from CERN to LENA“, arXiv:0911.4876
[14] T. Marrodan Undagoitia et al., „Search for the proton decay p–>K+antineutrino in the large liquid scintillator low energy neutrino astronomy detector LENA“, Phys.Rev.D72 (2005), 075014, hep-ph/0511230
[15] D. Autiero et al., „Large underground, liquid based detectors for astro–particle physics in Europe: scientific case and prospects“, JCAP 0711 (2007), 011, arXiv:0705.0116