COBRA
Das Akronym COBRA steht für Cadmium-Zinc-Telluride O-neutrino double-Beta Research Apparatus. Das Experiment hat sich zum Ziel gesetzt, den neutrinolosen Doppelbeta-Zerfall in CdZnTe-Halbleiterkristallen nachzuweisen.
Inhalt
- Der doppelte Betazerfall
- Der neutrinolose Doppelbeta-Zerfall
- Nachweis des 0νββ-Zerfalls
- Das COBRA-Experiment
- Untergrund
- Beitrag der Universität Hamburg
Der doppelte Betazerfall
Der doppelte Betazerfall ist ein Prozess zweiter Ordnung, bei dem die Protonenzahl Z eines Kerns um zwei Einheiten geändert wird, während die Massenzahl A konstant bleibt:
(Z,A) → (Z+2,A) + 2e- + 2νe
Betrachtet man die Bindungsenergie von Kernen mit gerader Massenzahl A in Abhängigkeit von der Kernladungszahl Z, so ergibt sich nach der Bethe-Weizäcker-Formel eine Aufspaltung in zwei Parabeln für gg-Kerne (gerade Protonenzahl Z und gerade Neutronenzahl N) und für uu-Kerne (ungerade Protonenzahl Z und ungerade Neutronenzahl N). Beim einfachen Betazerfall zerfällt ein gg-Kern unter Emission eines Elektrons und eines Elektron-Antineutrinos in den benachbarten uu-Kern. Liegt allerdings der uu-Kern energetisch höher als der gg-Ausgangskern, ist der einfache Betazerfall energetisch verboten. Durch den doppelten Betazerfall kann diese Energiebarriere quantenmechanisch durchtunnelt werden und der betrachtete gg-Kern geht in den benachbarten gg-Kern über (siehe Abbildung rechts).
Neben dem Zerfall in zwei Elektronen (2β-), bei dem zwei Neutronen in zwei Protonen übergehen, ist auch der entgegengesetzte Fall möglich, bei dem zwei Protonen in zwei Neutronen übergehen. Dieser Übergang ist auf drei Arten möglich.
2β+-Zerfall:
(Z,A) → (Z-2,A) + 2e+ + 2νe
zweifacher Elektroneneinfang:
(Z,A) + 2e- → (Z-2,A) + 2νe
Elektroneneinfang und β+:
(Z,A) + e- → (Z-2,A) + e+ + 2νe
Der Elektroneneinfang (engl. electron capture, EC) findet zumeist in der K-Schale statt, deswegen wird er auch oft K-Einfang genannt. Das Elektron kann allerdings auch in der L- oder M-Schale eingefangen werden.
Momentan sind 35 Isotope bekannt, die dem 2β--Zerfall unterliegen. Für den 2β+-Zerfall sind 6 Isotope bekannt.
Der neutrinolose Doppelbeta-Zerfall
Der neutrinolose Doppelbetazerfall ist nach dem Standard-Modell verboten, da sich die Leptonenzahl um zwei Einheiten ändert und damit die Leptonenzahlerhaltung verletzt ist.
(Z,A) → (Z+2,A) + 2e-
Dieser Zerfall kann als Sequenz zweier Zerfälle interpretiert werden. Zunächst zerfällt ein Neutron unter Emission eines rechtshändigen Anti-Elektronneutrinos. Dieses wird anschließend am zweiten Vertex als linkshändiges Elektronneutrino absorbiert:
(Z,A) → (Z+1,A) + e- + νe
(Z+1,A) + νe → (Z+2,A) + e-
Damit dieser Vorgang möglich ist, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein:
- Das Neutrino ist sein eigenes Antiteilchen (Majorana-Neutrino)
- Zwischen den Vertizes muss eine Helizitätsanpassung stattfinden
Die zweite Voraussetzung bedeutet, dass das Neutrino eine endliche Masse haben muss. Dieser Umstand ist durch eine Vielzahl von Neutrinooszillationsexperimenten in den vergangenen Jahren bestätigt worden.
Der Nachweis des 0νββ-Zerfalls
Der Nachweis des neutrinolosen Doppelbetazerfalls soll über das Summenenergiespektrum der emittierten Elektronen erfolgen. Im Gegensatz zum neutrinobegleiteten Zerfall erhält man keine kontinuierliche Energieverteilung der Elektronen, da die Neutrinos keine Energie wegtragen können Dafür erhält man am Wert für die Zerfallsenergie (Q-Wert) einen scharfen Peak. Die effektive Majorana Neutrinomasse mν lässt sich dann aus der gemessen Halbwertszeit des Zerfalls bestimmen:
(T1/2)-1 = G0ν(Q,Z) |M0ν|2 mν2/me2
Dabei ist G0ν(Q,Z) der Phasenraumfaktor und |M0ν| das Kernmatrixelement für diesen Zerfall.
Gegenüber dem neutrinobegleiteten Doppelbetazerfall ist der neutrinolose Doppelbetazerfall allerdings um den Faktor Q6 unterdrückt. Neueste Berechnungen ergeben für den neutrinolosen Doppelbetazerfall eine Halbwertszeit von über 1025 Jahren. Dies bedeutet, dass man für 1 Ereignis pro Jahr eine Quellmasse in der Größenordnung von 100 kg braucht.
Das COBRA-Experiment
Das COBRA-Experiment wird aus etwa 64000 Cadmium-Zink-Tellurid (CZT) Halbleiterdetektoren bestehen, die zusammen eine Quellmasse von etwa 400 kg haben. Jeder CZT-Detektor ist etwa 1cm3 groß und wiegt 6,53 g. Der modulare Aufbau ermöglicht dabei eine einfache Aufstockung des Detektormaterials. Das wichtigste Isotop zur Untersuchung des 0νββ-Zerfalls ist dabei 116Cd.
Folgende Vorteile bietet das COBRA-Experiment
- Das Quellmaterial ist gleichzeitig der Detektor
- Die Halbleiter bieten eine gute Energieauflösung
- Durch den modularen Aufbau sind Koinzidenz-Messungen möglich
- COBRA kann mehrere Isotope untersuchen
- CZT-Detektoren werden industriell gefertigt und sind schnell verfügbar
- CZT-Detekoren arbeiten bei Raumtemperatur, wodurch man keine aufwendige Kühlung benötigt
- Neuesten Berechnugen zufolge ist die Halbwertszeit von 116Cd kürzer als die von 76Ge
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Isotope in CZT-Detektoren, die über den doppelten Betazerfall zerfallen können.
Isotop | Q-Wert (keV) | Zerfallsmodus | nat. Isotopenhäufigkeit |
---|---|---|---|
70Zn | 1001 | β-β- | 0,62% |
114Cd | 534 | β-β- | 28,7% |
116Cd | 2804 | β-β- | 7,5% |
128Te | 868 | β-β- | 31,7% |
130Te | 2529 | β-β- | 33,8% |
106Cd | 2771 | β+β+ | 1,21% |
64Zn | 1096 | β+/EC | 48,6% |
120Te | 1722 | β+/EC | 0,1% |
108Cd | 231 | EC/EC | 0,9% |
Nur Isotope mit einem hohen Q-Wert kommen für 0νββ-Experimente in Betracht, da die Zerfallsrate mit Q5 skaliert. 116Cd ist dabei nicht nur wegen seiner kurzen Halbwertszeit von Interesse. Zum Einen lässt sich 116Cd sehr hoch anreichern (bis zu 90%), zum Anderen hat es mit 2814 keV einen Q-Wert, der über der Energie für den höchsten natürlichen Gammauntergrund liegt (208Tl, 2614 keV).
Untergrund
Für ein Niedrigratenexperiment wie COBRA ist die Reduzierung des Untergrunds entscheidend für den Nachweis des neutrinolosen Doppelbetazerfalls. Folgende Ereignisse tragen hauptsächlich zum Untergrund bei COBRA bei:
- natürliche Zerfallsreihen (U, Th)
- Alpha-, Beta-Strahlung
- hochenergetische Gammastrahlung
- kosmogenische Radionuklide
- thermische Neutronen
- Neutronen aus Myon-Wechselwirkungen
- 2νββ-Zerfälle
In dieser Abbildung ist für das COBRA-Experiment die Sensitivität auf die Halbwertszeit gegenüber der Messdauer aufgetragen. Deutlich ist zu erkennen, dass neben einer hohen Anreicherung von 116Cd und einer hohen Energieauflösung die Reduzierung der Untergrundrate entscheidend für den Nachweis des 0νββ-Zerfalls ist.
Das COBRA-Experiment wird im LNGS-Untergrundlabor (Laboratori Nazionali del Gran Sasso) in den italienischen Abbruzzen aufgebaut werden. Durch die Überdeckung mit 1400 m Felsgestein wird die Anzahl kosmischer Myonen um den Faktor 106 und die Anzahl thermischer Neutronen um den Faktor 103 gegenüber der Erdoberfläche unterdrückt. Ein geeignetes Shielding ist notwenig, um auch die weiteren Untergrundquellen im geforderten Maße zu unterdrücken.
Beitrag der Universität Hamburg
Monte-Carlo-Simulationen
Zur Reduzierung der Untergrundrate im COBRA-Experiment ist die Entwicklung und der Aufbau eines geeigneten Shieldings von großer Bedeutung. Die Universität Hamburg untersucht mit Hilfe von Monte-Carlo-Simulationen die erwarteten Untergrundereignisse und erarbeitet ein Konzept zur Abschirmung der CZT-Detektoren.
Studien zu Flüssigszintillatoren
Ein möglicher Bestandteil für das Shieldung des OPERA-Experiments ist ein Tank mit Flüssigszintillator, in dem die Untergrundereignisse detektiert werden können. An der Universität Hamburg wird untersucht, ob man die CZT-Detektoren in Flüssigszintillator betreiben kann. Die Konstruktion eines geeigneten Testtanks und die anschließende Kalibration des Aufbaus ist Bestandteil der Arbeit.